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HFC-TRAINER GIBT ERSTES GROSSES INTERVIE
André Meyer: „Die 33 Gegentore sind ja nicht ohne Grund gefallen“
Im MZ-Interview spricht Trainer André Meyer über seine Wurzeln in Halle, den Zustand der Mannschaft und seine Vorhaben mit ihr.
19.01.2022, 09:05 • Aktualisiert: 19.01.2022, 09:18
Halle (Saale)/MZ - Am 2. Januar hat André Meyer (38) mit dem Start der Wintervorbereitung seinen Job als Trainer von Fußball-Drittligist angetreten. Das Punktspiel-Debüt gegen Türkgücü München ist wegen Coronafällen beim Gegner vertagt worden. Nun gibt er seinen Einstand mit dem Spiel am Samstag bei Eintracht Braunschweig. Vorher gab er Christoph Karpe und Christopher Kitsche sein erstes großes Interview.
Herr Meyer, Sie sind als Hallenser geboren, aber früh mit der Familie nach Strausberg gezogen, aus welcher Gegend in Halle kommt Ihre Familie?
André Meyer: Meine Eltern haben in Trotha gewohnt, meine Großeltern, bei denen ich oft die Schulferien verbrachte, waren in der Paul-Suhr-Straße ganz in Stadionnähe zu Hause. Am Petersberg hatten sie einen Garten. Für meine Familie war es wirklich emotional, als ich beim HFC unterschrieben habe.
Inwiefern?
Für meine Eltern und Großeltern gehörte der Klub zur Stadt und ihrem Leben. Mein Vater war zum Beispiel 1971 live dabei, als der HFC im Uefa-Pokal im Hinspiel gegen den PSV Eindhoven 0:0 spielte. Meine Mutter stand nicht zuletzt wegen Norbert Nachtweih in den 70ern auf der Tribüne. Da kannte sie meinen Vater aber noch nicht (lacht). Er war Leichtathlet, hatte aber auch ein Probetraining beim HFC absolviert – letztlich erfolglos. Sie finden es großartig, dass ich den Lieblingsklub ihrer jungen Jahre trainiere.
Und wie haben es Ihre Freundin und Kinder aufgenommen?
Meine Freundin habe ich vor gut zehn Jahren in meiner Zeit als Nachwuchstrainer in Augsburg kennengelernt. Sie geht meinen als unseren gemeinsamen Weg mit. Die Kinder sind zwei und sechs Jahre alt. Am Anfang waren sie euphorisch. Als ich sie heute morgen in den Kindergarten gebracht habe, war der Abschied dann doch schwer für sie, weil sie wissen, dass wir uns eine Weile nicht sehen werden.
Wie steht es bei der Wohnungssuche in Halle?
Noch lebe ich im Hotel, pendle zum Trainingsgelände. Es ist ein so volles Programm, dass die Wohnungssuche noch nicht Priorität hatte. Das soll schnellstmöglich passieren, wenn das Sportliche auf den Weg gebracht ist.
Wie haben Sie die Mannschaft des HFC gesehen und was dann empfunden, als Sie hierher gekommen sind?
Zunächst: Ich hätte gegenwärtig nicht bei jedem Drittligisten unterschrieben. Beim BAK hatte ich etwas mit aufgebaut. Das zurückzulassen, war nicht einfach. Beim HFC hat mir imponiert, dass die Mannschaft in keinem der Spiele, die verloren wurden, in sich zusammengefallen ist. Es gab immer ein Miteinander. Das habe ich auch in den ersten Trainingseinheiten so wahrgenommen. Da herrscht eine Geschlossenheit. Und ich wurde mit Offenheit empfangen. Es war in etwa so, wenn man eine Frau kennenlernt, die einem auf Anhieb gefällt (lacht). Und die Jungs haben Freude bei der Arbeit. Das ist spannend und hilfreich.
Sie haben eine Philosophie von offensivem Pressing-Fußball. Geht das mit der Mannschaft?
Meine Herangehensweise ist zweifellos eine andere als zuvor. In den Köpfen der Spieler war safety first verankert. Trotzdem gab es 33 Gegentore, die sind ja nicht ohne Grund gefallen. Also wurde die Intensität im Training erhöht. Gefragt sind kurze, explosive Bewegungen, viele Sprints. Daran haben wir gearbeitet. Und es gab die Rückmeldung von den Spielern: Sie spüren es körperlich. Einer wie Torjäger Terrence Boyd braucht seine Explosivität in der Box. Er wird also künftig weniger Wege gehen und nicht mehr an der Außenlinie gegnerische Aufbauspieler pressen. Außerdem: Die Mannschaft hat eine wirklich gute Zweikampfstatistik. Also werden wir Zweikämpfe suchen, um diese Stärken gewinnbringend einsetzen zu können.
Dem HFC fehlte Kreativität. Nun hat Fabian Menig seinen Vertrag aufgelöst. Da ist ein Platz im Kader frei. Tut sich jetzt etwas in Sachen Neuverpflichtungen?
Mit Aaron Herzog und Tom Zimmerschied fehlen zwei Kreative verletzt. Es geht aber nicht um die, die nicht da sind. Sondern darum, Spieler, die da sind, wie etwa Julian Guttau, besser zu machen. Womöglich tut sich bei Zugängen trotzdem noch etwas. Wir sind wachsam.
Macht Ihnen die Corona-Situation Sorgen? In Berlin sind bei ihrem AK zwei Spieler nach Erkrankungen auf dem Platz umgekippt...
Die medizinische Abteilung hier in Halle ist so gut, wie ich sie noch nirgends erlebt habe. Jeder Rückkehrer - derzeit fehlen uns vier Spieler - wird internistisch durchgecheckt. Medizinisch mache ich mir also gar keine Sorgen. Höchstens darüber, dass bei den vielen Spielverlegungen irgendwann die Termine ausgehen könnten.
Sollte die Saison verlängert werden?
Man sollte alle Möglichkeiten ausloten, aber das entscheiden letztlich nicht wir.
Zurück zum Sport. Worum geht es Ihnen generell?
Wir wollen der Mannschaft ein Gesicht geben, sie soll für etwas stehen. Und wir wollen stabiler auftreten. Zunächst innerhalb der 90 Minuten, dann über eine Saison hinweg. Bislang sind die Ausschläge zu groß. Als ich als Cheftrainer in der Regionalliga bei Union Fürstenwalde anfing, haben wir die ersten zehn Spiele verloren. Wir haben uns dennoch nicht von unserem Weg abbringen lassen. Das zahlte sich aus mit dem vorzeitigen Klassenerhalt. Diese Erfahrung hat mich geprägt.
Zehn Niederlagen sind mit dem HFC nicht drin. Vor Ihnen steht eine harte Woche mit den Auswärtsspielen bei den Aufstiegskandidaten in Braunschweig und Kaiserslautern, dazwischen kommt Viktoria Berlin nach Halle. Sorgen?
Nein. Ich freue mich auf die Woche, wirklich. Zum Beispiel auf Kaiserslautern. Ich habe verfolgt, wie Otto Rehhagel mit seiner Aufsteiger-Mannschaft 1998 Meister geworden ist. Wer hat denn nicht Bock, auf dem Betzenberg zu spielen? Wir sind aber gewiss nicht als Touristen unterwegs. Das 1:1-Testspiel gegen Lok Leipzig hat nochmals Mut gemacht, wegen der Art und Weise. Wir fahren zuversichtlich nach Braunschweig und dort heißt es: Feuer frei.
Schafft der HFC den Klassenerhalt?
Wir verschließen nicht die Augen vor der Situation. Aber Angst ist kein guter Ratgeber. Es geht um das Vertrauen in die eigene Stärke. Das haben wir. Also: Ja