Re: Presseschau
Verfasst: Di 21. Sep 2021, 08:42
MZ+
https://www.mz.de/sport/hallescher-fc/r ... en-3244745
https://www.mz.de/sport/hallescher-fc/r ... en-3244745
TEILS FLUCH, TEILS MAKEL
Riesige Verletztenliste: Ist das alles nur Pech beim HFC? - Was Sportchef und Leistungsdiagnostiker sagen
Von Christoph Karpe
21.09.2021, 06:38 • Aktualisiert: 21.09.2021, 06:41
Auf der Bank wird beim so genannten Schubladentest klar: Das Kreuzband bei Aaron Herzog ist durch. Foto: Imago/Huebner
Halle (Saale)/MZ - Den neuerlichen Schock wollten sie erstmal sacken lassen. So die Verabredung. Am Dienstag, mit der Rückkehr in den Trainingsbetrieb, gibt es dann die Analyse. „Wir drehen jedes Steinchen um und legen alles nebeneinander“, sagte Sportdirektor Ralf Minge am Montag. Er und das Trainerteam des Halleschen FC wollen die Konsequenzen aus der akuten Verletztenmisere beim Fußball-Drittligisten bereden, die am Samstag bei der 1:2-Niederlage in Mannheim im Kreuzbandriss bei Mittelfeldspieler Aaron Herzog (Ausfall bis Saisonende) ihren Tiefpunkt erreicht hatte.
Als Minge das Brainstorming mit Trainer Florian Schnorrenberg und dessen Team ankündigte, stand das Ergebnis der MRT-Untersuchung von Niklas Landgraf noch aus. Der Verteidiger musste im Waldhof mit Adduktorenproblemen zur Pause ausgewechselt werden. Am Abend kam dann Entwarnung: nichts kaputt. Heißt nicht, dass er sofort wieder spielen kann. Torwart Sven Müller droht sowieso länger auszufallen. Der hatte in Mannheim arg gehumpelt. Jedenfalls herrscht vor dem Derby am Freitag gegen den 1. FC Magdeburg (19 Uhr) Alarmstimmung angesichts eines Mangels an gestandenen Profis. Ein Zustand, an dem die Rückkehr von Stürmer Terrence Boyd nach abgelaufener Rotsperre nichts ändert. Deshalb wird über weitere Zugänge diskutiert.
Intern wird über Ursachen gegrübelt und nach Lösungen gesucht. Im Umfeld entbrennt unter den Anhängern in den sozialen Netzwerken eine heiße Debatte. Die Fragen: Ist das nur ein Fluch? Oder sind die vielen Verletzten eventuell eine fatale Konsequenz aus falsch dosiertem Training?
Für Minge ist klar: „Wenn wir sieben Muskelverletzungen gehabt hätten, wäre ein Muster erkennbar. Dann müssten wir etwas hinterfragen. Aber ein Wadenbeinbruch wie bei Sören Reddemann, eine Schulterverletzung wie bei Tom Zimmerschied oder jetzt ein Kreuzbandriss sind gänzlich verschieden“, sagt er. Auch, dass die Mannschaft womöglich zu untrainiert sei, um körperlich die massiven Belastungen auszuhalten und mit Verletzungen Tribut zahlt - diese These weist er von sich. „Wir waren in den letzten drei Spielen immer auf einem besseren physischen Level als der Gegner. In Mannheim und Zwickau haben wir in der zweiten Halbzeit zulegen können. Davor haben wir gegen 1860 München in Unterzahl dagegengehalten. Das spricht ganz und gar nicht dafür, dass die Mannschaft körperliche Defizite hat“, resümierte Minge die englische Woche.
Seine generelle Einschätzung der misslichen Situation hatte er schon am Sonntag via Vereinshomepage kundgetan: „Ich habe schon viel erlebt im Fußball, aber diese Fülle an schweren Verletzungen innerhalb kürzester Zeit in einer Mannschaft ist wohl unerreicht.“ Sechs Verletzungen, die eine Operation nach sich zogen, sind in der Masse tatsächlich unfassbar heftig.
Schwache Ausgangswerte
Einer jedoch teilt die Binnensicht beim HFC nicht ganz: Prof. Dr. René Schwesig, an der Uni in Halle der Fachmann für Leistungsdiagnostik. Der 49-Jährige checkt beim Halleschen FC den Fitnesszustand der Spieler, bevor die in die Vorbereitung einsteigen. Auch der FSV Zwickau lässt bei ihm im Labor seine Profis unter die Lupe nehmen. Und Schwesig hat ein paar Beispiele, die ihm nicht so gefallen. „Als Maximilian Jansen vom FSV verpflichtet werden sollte, wurde er vom Verein zuerst zu mir geschickt. Jan Löhmannsröben hat beim HFC ohne Untersuchung bei uns einen Vertrag bekommen“, so Schwesig. Nur ein Detail jüngeren Datums.
Nachdem der Diagnostiker die HFC-Spieler im Juni - etwa per Laufbandtest - untersucht hatte, wusste er: „Das Ausgangsniveau vor dem Trainingsstart war nicht allzu hoch.“ Viele hatten in der Pause geschludert. Um die Defizite aber aufzuholen, „hatte ich den Eindruck, da wurde beim HFC zu wenig gemacht“. Schwesig vermisste hartes Grundlagen-Ausdauer- und Krafttraining. Auch aktuell sollte in der Woche mindestens eine knackige Einheit eingestreut werden. Hauptsächlich auf Regeneration zu setzen, reiche nicht. So seine Einschätzung.
Zu wenig Ausdauer-Training?
Was ihm aufgefallen ist: Nach Spielen wird nicht mehr ausgelaufen. „In Socken ein paar Runden auf dem Rasen zu drehen und dazu etwas Gymnastik, das ist wichtig.“ Passiert beim HFC nicht. Da wird in den Katakomben nach Heimspielen Ergometer gefahren. Wenige sind diszipliniert. Schwesig hat nach dem 4:4 gegen Verl nur einen Profi strampeln sehen.
2014 hatte René Schwesig bereits Kontakt zu Minge in Dresden. Unter Trainer Stefan Böger (später Coach und Sportchef in Halle), war die Leistungskurve von Dynamo nach einem prima Start eingebrochen. Dresdens Sportchef wollte das Phänomen ergründen. Schwesig half. Dessen Analyse: In der Vorbereitung war zu lasch trainiert worden. „Mannschaften, die viel Grundlagen-Ausdauer trainieren, kommen in der Regel schwerer in eine Saison, überholen aber dann die Konkurrenz“, so die wissenschaftlichen Tatsachen. Und fittere Spieler verletzen sich nicht so häufig.
Herzog war quasi ein Opfer seiner nicht so fitten Nebenleute. Der hatte in Mannheim mehr als doppelt so viele Sprints als der in diesem Punkt zweitbeste Spieler des HFC geleistet. Er sollte platt ausgewechselt werden, doch weil Mitspieler Krämpfe signalisierten, musste er durchspielen.
Beim HFC werden sie am Dienstag auch die Trainingsinhalte intern diskutieren.
https://www.mz.de/sport/hallescher-fc/r ... en-3244745
https://www.mz.de/sport/hallescher-fc/r ... en-3244745
TEILS FLUCH, TEILS MAKEL
Riesige Verletztenliste: Ist das alles nur Pech beim HFC? - Was Sportchef und Leistungsdiagnostiker sagen
Von Christoph Karpe
21.09.2021, 06:38 • Aktualisiert: 21.09.2021, 06:41
Auf der Bank wird beim so genannten Schubladentest klar: Das Kreuzband bei Aaron Herzog ist durch. Foto: Imago/Huebner
Halle (Saale)/MZ - Den neuerlichen Schock wollten sie erstmal sacken lassen. So die Verabredung. Am Dienstag, mit der Rückkehr in den Trainingsbetrieb, gibt es dann die Analyse. „Wir drehen jedes Steinchen um und legen alles nebeneinander“, sagte Sportdirektor Ralf Minge am Montag. Er und das Trainerteam des Halleschen FC wollen die Konsequenzen aus der akuten Verletztenmisere beim Fußball-Drittligisten bereden, die am Samstag bei der 1:2-Niederlage in Mannheim im Kreuzbandriss bei Mittelfeldspieler Aaron Herzog (Ausfall bis Saisonende) ihren Tiefpunkt erreicht hatte.
Als Minge das Brainstorming mit Trainer Florian Schnorrenberg und dessen Team ankündigte, stand das Ergebnis der MRT-Untersuchung von Niklas Landgraf noch aus. Der Verteidiger musste im Waldhof mit Adduktorenproblemen zur Pause ausgewechselt werden. Am Abend kam dann Entwarnung: nichts kaputt. Heißt nicht, dass er sofort wieder spielen kann. Torwart Sven Müller droht sowieso länger auszufallen. Der hatte in Mannheim arg gehumpelt. Jedenfalls herrscht vor dem Derby am Freitag gegen den 1. FC Magdeburg (19 Uhr) Alarmstimmung angesichts eines Mangels an gestandenen Profis. Ein Zustand, an dem die Rückkehr von Stürmer Terrence Boyd nach abgelaufener Rotsperre nichts ändert. Deshalb wird über weitere Zugänge diskutiert.
Intern wird über Ursachen gegrübelt und nach Lösungen gesucht. Im Umfeld entbrennt unter den Anhängern in den sozialen Netzwerken eine heiße Debatte. Die Fragen: Ist das nur ein Fluch? Oder sind die vielen Verletzten eventuell eine fatale Konsequenz aus falsch dosiertem Training?
Für Minge ist klar: „Wenn wir sieben Muskelverletzungen gehabt hätten, wäre ein Muster erkennbar. Dann müssten wir etwas hinterfragen. Aber ein Wadenbeinbruch wie bei Sören Reddemann, eine Schulterverletzung wie bei Tom Zimmerschied oder jetzt ein Kreuzbandriss sind gänzlich verschieden“, sagt er. Auch, dass die Mannschaft womöglich zu untrainiert sei, um körperlich die massiven Belastungen auszuhalten und mit Verletzungen Tribut zahlt - diese These weist er von sich. „Wir waren in den letzten drei Spielen immer auf einem besseren physischen Level als der Gegner. In Mannheim und Zwickau haben wir in der zweiten Halbzeit zulegen können. Davor haben wir gegen 1860 München in Unterzahl dagegengehalten. Das spricht ganz und gar nicht dafür, dass die Mannschaft körperliche Defizite hat“, resümierte Minge die englische Woche.
Seine generelle Einschätzung der misslichen Situation hatte er schon am Sonntag via Vereinshomepage kundgetan: „Ich habe schon viel erlebt im Fußball, aber diese Fülle an schweren Verletzungen innerhalb kürzester Zeit in einer Mannschaft ist wohl unerreicht.“ Sechs Verletzungen, die eine Operation nach sich zogen, sind in der Masse tatsächlich unfassbar heftig.
Schwache Ausgangswerte
Einer jedoch teilt die Binnensicht beim HFC nicht ganz: Prof. Dr. René Schwesig, an der Uni in Halle der Fachmann für Leistungsdiagnostik. Der 49-Jährige checkt beim Halleschen FC den Fitnesszustand der Spieler, bevor die in die Vorbereitung einsteigen. Auch der FSV Zwickau lässt bei ihm im Labor seine Profis unter die Lupe nehmen. Und Schwesig hat ein paar Beispiele, die ihm nicht so gefallen. „Als Maximilian Jansen vom FSV verpflichtet werden sollte, wurde er vom Verein zuerst zu mir geschickt. Jan Löhmannsröben hat beim HFC ohne Untersuchung bei uns einen Vertrag bekommen“, so Schwesig. Nur ein Detail jüngeren Datums.
Nachdem der Diagnostiker die HFC-Spieler im Juni - etwa per Laufbandtest - untersucht hatte, wusste er: „Das Ausgangsniveau vor dem Trainingsstart war nicht allzu hoch.“ Viele hatten in der Pause geschludert. Um die Defizite aber aufzuholen, „hatte ich den Eindruck, da wurde beim HFC zu wenig gemacht“. Schwesig vermisste hartes Grundlagen-Ausdauer- und Krafttraining. Auch aktuell sollte in der Woche mindestens eine knackige Einheit eingestreut werden. Hauptsächlich auf Regeneration zu setzen, reiche nicht. So seine Einschätzung.
Zu wenig Ausdauer-Training?
Was ihm aufgefallen ist: Nach Spielen wird nicht mehr ausgelaufen. „In Socken ein paar Runden auf dem Rasen zu drehen und dazu etwas Gymnastik, das ist wichtig.“ Passiert beim HFC nicht. Da wird in den Katakomben nach Heimspielen Ergometer gefahren. Wenige sind diszipliniert. Schwesig hat nach dem 4:4 gegen Verl nur einen Profi strampeln sehen.
2014 hatte René Schwesig bereits Kontakt zu Minge in Dresden. Unter Trainer Stefan Böger (später Coach und Sportchef in Halle), war die Leistungskurve von Dynamo nach einem prima Start eingebrochen. Dresdens Sportchef wollte das Phänomen ergründen. Schwesig half. Dessen Analyse: In der Vorbereitung war zu lasch trainiert worden. „Mannschaften, die viel Grundlagen-Ausdauer trainieren, kommen in der Regel schwerer in eine Saison, überholen aber dann die Konkurrenz“, so die wissenschaftlichen Tatsachen. Und fittere Spieler verletzen sich nicht so häufig.
Herzog war quasi ein Opfer seiner nicht so fitten Nebenleute. Der hatte in Mannheim mehr als doppelt so viele Sprints als der in diesem Punkt zweitbeste Spieler des HFC geleistet. Er sollte platt ausgewechselt werden, doch weil Mitspieler Krämpfe signalisierten, musste er durchspielen.
Beim HFC werden sie am Dienstag auch die Trainingsinhalte intern diskutieren.